Teil 1 Schneller ist visuell

Die visuelle Wahrnehmung ist so etwas wie der Porsche unter den Sinnen. Extrem schnell, leistungsstark und mit hohem Durchsatz. Das Auge und sein Gehirn als Interpreter sind nicht nur direkt verkabelt sondern bilden eine Einheit, die ihresgleichen sucht.

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Ein Bild sagt mehr als tausend Worte [1]. Diese sprichwörtliche Aussage wurde erstmalig 1921 als Werbeslogan verfasst und erhöht plakativ das Sehen über alle anderen Sinne.

Zweifelsohne, die visuelle Informationsaufnahme ist privilegiert. 70% aller Sinneszellen des Menschen befinden sich in den Augen [2]. Durch die Drähte, welche vom Auge zum Gehirn führen, werden pro Sekunde 8.75 Megabyte an visuellem Input gejagt [3]. Damit ist das Auge zehnmal schneller als eine DSL 6000 Leitung. Andere Sinne im Vergleich führen ein Schattendasein. Der Tastsinn schafft es immerhin noch auf 1 Megabyte pro Sekunde, aber schon der Hörsinn muss sich mit „nur” noch 100 Kilobyte pro Sekunde begnügen [4]. Auch das Gehirn spendiert 30-50% des zerebralen Kortex für die Bildverarbeitung, während der Tastsinn mit 7% und der Hörsinn mit 8% weniger zu melden haben [5].

 

Das Auge als High-End Kamera

Vergleicht man das Auge mit High-End Kameras, überzeugt nicht nur der hohe Kontrastumfang. Auch die Auflösung kann sich sehen lassen. Mit 120 Millionen Pixeln [6] hat das Auge immerhin noch eine doppelt so hohe Auflösung wie das 20.000 Euro teure Flaggschiff der Premium-Marke Hasselblad [7].

Würde jedoch der komplette Input ungefiltert zum Gehirn geleitet, hätte der Sehnerv des Menschen eine Dicke von mehr als 20 cm [8]. Durch cleveres Komprimieren der Daten kommen wir aber mit einem 4,5 mm dickem Sehnerv [9] aus. Die Retina funktioniert wie eine Art Kompressionsalgorithmus, der die Rohdaten veredelt und verdichtet [10]: Kontraste werden hervorgehoben, eintönige Bereiche gelöscht und Bewegungsvektoren gleich mal in Echtzeit berechnet. So müssen zum Gehirn weniger Leitungen gelegt werden. Natürlich führt eine solch hohe Kompression auch zu Kollateralschäden ähnlich den Kompressions-Artefakten bei JPEG-Bildern. Diese treten dann als visuelle Illusionen zu Tage und spielen uns so manchen Streich. Sie können aber auch recht nützlich sein, ohne hätte z.B. die Beamer-Industrie ein Problem (Haben Sie schon einmal überlegt, wie die schwarze Farbe im Beamerbild an der Wand eigentlich zu Stande kommt?).

 

Der visuelle Sinn – ein Produkt der Evolution

Die visuelle Wahrnehmung, beginnend beim Auge bis zum visuellen Kortex, ist ein hochkomplexes System und faszinierte bereits Charles Darwin, der fast zweifelte,dass die Evolution etwas so leistungsfähiges hervorbringen sollte. Nach heutigen Schätzungen kann selbst dieses austarierte System in Zeiträumen von „nur” 400 Tausend Jahren entstehen [11] , im Vergleich zum Alter der Erde von 4.5 Milliarden Jahren eine verschwindend geringe Zeitspanne. Der visuelle Sinn ist demnach ein High-End-Produkt der Evolution.

Bei soviel Informationsaufnahme ist klar: das Bild ist die erste Wahl, wenn in wenig Zeit viel gesagt werden muss. Nicht umsonst zieren Verkehrsschilder selten Worte und meist Symbole (die „Einbahnstraße“ ist hier eine Ausnahme der Regel).

Dabei ist die Kommunikation mit Bildern nicht nur schnell, sondern auch angenehm, was sich auch an Aktivitätszahlen im Internet messen lässt. Pro Monat werden allein bei Fotocommunity. de fast 10.000 Fotos hochgeladen [12] , Flickr-Nutzer haben bereits über 4 Milliarden Fotos [13] hochgeladen (Stand: Oktober 2009). Google wird sechzehn Millionen Mal im Monat zur Fotosuche genutzt [14].

 

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Zitat Charles Darwin

“Die Annahme, dass sogar das Auge mit all seinen unnachahmlichen Vorrichtungen, … , nur durch natürliche Zuchtwahl zu dem geworden sei, was es ist, scheint, ich will es offen gestehen, im höchst möglichen Grade absurd zu sein.“

On The Origin of Species by Means of Natural Selection (1859, 1882), 143-144

 

 

Bildnachweis

Titel: Lina Lubig, 2010, (Eadweard Muybridge: Animal Locomotion, Plate 624, Philadelphia, 1887)

Fotografie von Charles Darwin: Julia Margaret Cameron, Albuminpapierabzug, 1868

 

Quellen

1 http://de.wikipedia.org/wiki/Ein_Bild_sagt_mehr_als_tausend_Worte

2 Neil A. Campbell und Jane B. Reece: Biologie, hrsgg. v. Jürgen Markl, 6. Aufl. Spektrum-Vlg, Berlin, 2003

3 Michael Reilly: Calculating the speed of sight, Newscientist, 2006.

4 Tor Nørretranders: Spüre die Welt – die Wissenschaft des Bewusstseins, Rowohlt, Reinbek b. Hamburg, 1996.

5 D. Van Essen, Organization of visual areas in macaque and human cerebral cortex, 2004.

6 L. Van Warren, The Input and Output Bandwidth of the Eye and Body, 2001 .

7 Hasselblad H4D-60 mit 60 Megapixel

8 Die Bahn vom Auge zum Sehzentrum besitzt nur ca. 1 Million Nervenfasern, http://www.medizinfo.de/augenheilkunde/sehnerv/anatomie.htm

9 http://en.wikipedia.org/wiki/Optic_nerve

10 John E. Dowling: Neurons and networks – an introduction to neuroscience, Harvard University Press, Cam-bridge, Mass. 1992.

11 Dan-E. Nilsson and Susanne Pelger, A Pessimistic Estimate of the Time Required for an Eye to Evolve, Procee-dings of the Royal Society B, 1994.

12 Statistik Fotocommunity http://www.fotocommunity.com/pc/pc/statistic/1

13 http://blog.flickr.net/en/2009/10/12/4000000000/

14 KeyWord-Tool mit Begriff „Foto“ ergab 16.600.000 globale Anfragen pro Monat

 

 

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